Meist fristen sie ja ein eher unscheinbares Dasein. Völlig zu Unrecht! Denn Hocker gehören zur Gattung der überaus praktischen Sitzgelegenheiten. Das kann jeder Landwirt bezeugen, der über mehr als ein halbes Dutzend Kühe verfügt und diese auch noch von Hand melkt! Da leistet der gute alte Melkschemel einen willkommenen Beitrag zur Entlastung der Wirbelsäule. Und vom gemeinen Melkschemel ist es dann auch kein grosser Schritt mehr zum altbewährten Gymnastikhocker – jedenfalls, was das Design anbelangt. Drei oder vier Beine, eine Sitzfläche: fertig ist die Grundlage frischfrommfreier Körperertüchtigung.
Nebst den praktischen Hockern, die bei Bedarf vom Dachstock geholt und den Partygästen als Sitzgelegenheit angeboten werden, gibt es natürlich auch die stilvollen. Ein wunderbares Beispiel für die Verschmelzung von Funktion und Design ist zweifelsohne der Ulmer Hocker von Max Bill aus dem Jahre 1954. Ursprünglich als dem Schlafbedürfnis entgegenwirkendes Sitzmöbel für die Studierenden der Hochschule für Gestaltung in Ulm gedacht, hat der schlichte Hocker längst den Weg in die Wohnzimmer stilbewusster Zeitgenossen gefunden, wo er darüber hinaus als Beistelltisch, Aufbewahrungs- oder Transportbehälter Verwendung findet.
Der Polyvalenz verpflichtet fühlt sich auch der Hocker Plus von Ryterdesign, der auf den ersten Blick nicht wirklich bequem aussieht, dafür aber gemäss offiziellem Produktebeschrieb auch als Weinregal, Planhalter oder gar Schirmständer verwendet werden kann. Ein paar Schirme neben dem Sofa haben schliesslich noch nie geschadet…
Preisgekrönt und schon alleine deshalb erwähnenswert: Der skulpturale Stap-Stool der Berliner Designerin Britta Lüpke. Der Hocker ähnelt einer Schachfigur und kann auch als Beistelltisch genutzt werden. Das Besondere: Unter der abschraubbaren Sitzfläche befindet sich ein Geheimfach, in dem (…ausser Schirmen…) fast alles versteckt werden kann, was Frau und Mann vor fremden Blicken schützen will.
Die Verbundenheit mit dem Werkstoff Holz ist der Designerin im wahrsten Sinne des Wortes in die Wiege gelegt worden. Bereits ihr Urgrossvater war Drechsler, und die Familie ist dem Handwerk seit über 100 Jahren treu geblieben. Nach dem Produktdesign-Studium arbeitete Britta Lüpke in unterschiedlichen Bereichen der Gestaltung. Mit der Entwicklung der STAP_collection kehrte sie 2005 zu ihren Wurzeln zurück. Sie lässt ihre Kreationen von traditionellen Handwerksbetrieben in Deutschland von Hand fertigen und verzichtet dabei bewusst auf den Einsatz von Tropenhölzern. Nebst kreativer Formensprache ist ihr die Liebe zum Werkstoff wichtig: „Mit Holz kann man nicht alles machen, es gibt Grenzen. Aber gerade deshalb spricht Holz die Menschen an – nachhaltig und Wärme ausstrahlend.“
Ein Beispiel für Formvollendung liefert Amy Tang mit ihrem Flosion Stool. Die einzelnen Sitzelemente, welche auf den ersten Blick an Toffifee erinnern, bilden zusammengeschoben eine Einheit und können so als Hocker-Tisch-Kombination, Sitzreihe oder Liegelandschaft genutzt werden. Elegant in der Erscheinung, praktisch im Gebrauch.
Meist landen Hocker ja, so sich der Besitzer ihrer überdrüssig wird, irgendwo in der Garage, im Keller oder im Flur, wo sie Staub ansetzen und mitunter Staufläche schlucken. Ein solch bedeutungsloses Ende droht „Xaver“ bestimmt nicht. Der von der Werkgemeinschaft Ikarus entworfene Hocker besteht aus Kaminscheiten – damit ist er nicht nur auffälliges Dekorationsstück, sondern ein praktischer Helfer bis zum Letzten. Ein echter Hocker eben …
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